Küchenfensterblick
Dienstag, 25. März 2008
Den Amtsschimmel reiten
"Ich muss mal eben zum Amt" sagte ich um 11 Uhr vormittags den Kollegen. "Na dann bis morgen" schalt es zurück - hämisch, mitleidig, mitwissend grinsend.
es gin dann doch recht schnell. Keine Schlange, eine nette Dame die mir gerne in Vertretung ihres kranken Kollegen weiterhelfen wollte. Toll!, dachte ich. Ich brauchte ein paar Anträge und Auskünfte, um die Betreuung meiner Kinder auch in zukunft sichergestellt zu wissen. Die notwendigen Formulare erhielt ich promt, alles wunderbar.
Ich hatte dann noch einige Fragen bzgl. Hortplatzsituation für meinen älteren Sohn. Alle wurden mit einem "Ach ja, da wenden sie sich mal an unseren Herrn Bürgermeister" beantwortet. "Die da oben haben sich das ausgedacht".
Lustig wurde es dann, als ich auf das Thema Bezuschussung der Betreuungskosten durch den Arbeitgeber zu sprechen kam. Da wunderten die netten Damen (eine Kollegin fand die Zeit, sich zu unserem netten Plausch über den Senat hinzuzusetzen) sich, dass es so etwas tolles gäbe und wo ich denn arbeite.
Fazit, ich habe ein paar Anträge aber nicht eine ergiebige Auskunft. Immerhin, warten musste ich nicht.

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Freitag, 7. März 2008
Hortmangel
Unser Sohn ist ein sogenanntes Kann-Kind. Er kann schon ziemlich viel und er kann sogar schon dieses Jahr zur Schule gehen, wenn er möchte. Wir finden auch, dass er das kann, die Leiterin der Grundschule findet das auch. Die Schule ist grade mal 150 Meter und einen Zebrastreifen von unserer Wohnung entfernt und auf dem Gelände gibt es gleich zwei Horte in der vormittags und nachmittags Kinder betreut und gefördert werden. Soweit so gut. Was nun unser Sohn offenbar nicht kann ist einen dieser beiden horte in der Zeit von 13-14:30 uhr zu besuchen. Zum einen sind die Plätze zu knapp und er steht auf einer Warteliste so lang wie mein unterarm. Zum anderen müsste er selbst wenn er einen Platz bekäme 3 statt 1,5 Stunden im Hort bleiben. Über Vor- und nachteile letzterens bin ich ja gerne bereit zu diskutieren. Was mich aber unglaublich ärgert, ist dass wir unsere Entscheidung ihn einzuschulen unter Umständen revidieren müssen. Ganz einfach weil wir von unserem Sohn nicht verlangen wollen, dass er nach der Schule für die Zeit bis meine Frau oder ich von der Arbeit kommen in eine 500 Meter entfernte Ausweich-Kita geht. Warum macht es diese Stadt und dieses Land Eltern und Kindern so schwer? Warum laufen Schule und Horte/Kitas so vollkommen getrennt voneinander? Wenn ich so die Arbeit für meine Kunden (und ich verstehe mich als mündigen Kunden dieses Staates in manchen Bereichen) organisieren würde, wären die schon lange woanders...

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Sonntag, 17. Februar 2008
Das Wichtigste ist ...
Das Wichtigste ist, dass wir das Projekt noch diesen Monat starten, sagt mein Chef.

Das Wichtigste ist, dass wir diese Woche den Urlaub festmachen, nächste Woche die Küche renoviert wird und wir gleich noch den Einkaufszettel besprechen, sagt meine Frau.

Das Wichtigste ist, dass man nicht tot ist, sagte mein Sohn vor einiger Zeit und ich neige dazu, ihm Recht zu geben.

Wenn man eine Familie hat und sich beruflich engagiert (ganz gleich mit wieviel Arbeitszeit), dann kommt man um dieses Gefühl der Zerissenheit nicht herum. Fremdbestimmt scheint man durch die Zeit zu taumeln. Immer eine ToDo-Liste in der Hand, im Kopf, auf dem Schreibtisch oder virtuell hinterlegt, die einen antreibt und nach Aufmerksamkeit und abarbeiten schreit.

Ich flüchte mich dann in den wenigen Minuten eigener Zeit entweder in Romane oder zur Musik. Gestern habe ich das erste Mal seit langem einen freien Abend, nein, eine freie Nacht gehabt. Von 23 bis 2 Uhr habe ich sie entweder in einem speckigen Sessel am Rand der Tanzfläche des Grünen Jägers verbracht, oder auf selbiger. Ich gehörte zu den wenigen Leuten ohne Begleitung und das ermöglichte es mir, meine Umgebung in aller Ruhe zu studieren. Junge Paare in der ersten Verliebtheit, verzeifelte Gruppen junger Männer, ähnlich verzweifelte Gruppen ebenso junger Frauen (beide Gruppen kamen sich nie näher obwohl sie bestimmt das gleiche suchten), ausgelassen Tanzende, angestrengt verkrampft Zappelnde, alle waren da und ich mittendrin oder am Rand.

Natürlich hätte ich mir gewünscht, das Jan Wigger noch mehr alte Sachen spielt, natürlich hätte ein Bier weniger mir gut getan heute Morgen. Trozdem ging es mir gestern mit dem ausgehen ähnlich, wie es mir seit Jahren mit dem Kino geht: Ich gehe auch gerne mal alleine, mit mir.

Das Wichtigste ist nämlich, dass man sich selbst leiden mag.

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Mittwoch, 9. Januar 2008
Haltungsfragen
Meine Frau findet Heikko Deutschmann toll. Ich jetzt auch. Nicht nur, weil er Helge Timmerbergs Reise-ABC so hervorragen spricht, sondern weil ich seine Haltung mag und für mich genauso zu leben versuche. In einem Interview in der Brigitte findet mit ihm ungefähr folgender Wortwechsel statt:
Deutschmann: Wenn ich eine Rolle nicht gut finde, dann spiel ich das halt nicht.
Brigitte: Das muss man sich aber auch leisten können.
D: Nein, das ist eine Frage der Haltung. Wenn es nicht mit Risiko verbunden ist, ist es keine Haltung sondern einfach.

Schlussfolgerung war in etwa: Wer jahrelang geduckt läuft, kann doch nicht ernsthaft glauben, dass er plötzlich wieder aufrecht stehen kann, wenn er irgendwann genug Geld zur Seite gelegt hat.

Es ist schwer aufrecht zu gehen.
Aber wie ein Freund mal zu mir sagte: Die Weide biegt sich auch nur solange, bis sie bricht.

In diesem Sinne einen guten Jahresstart!

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Dienstag, 18. Dezember 2007
Ihr seid also Deutschland, meine Söhne
Der neue Spot der "Du bist Deutschland" Kampagne ist da. Vor zwei Tagen habe ich ihn das erstemal im Fernsehen gesehn und grade hat mich der Haltungsturner via Twitter daran erinnert.

Ihr seid also Deutschland meine beiden Söhne.

Dieses Land, euer Land, braucht euch. Darum wird so vieles dafür getan, dass mehr von eurer Sorte geboren werden. Wir haben nämlich ein Geburtenproblem müsst ihr wissen. Wobei, euch kann es egal sein, ihr seid ja jetzt da und damit seid ihr Teil der Lösung, nicht des Problems. Das Problem haben eure Eltern, aber nicht ihr seid das Problem. Ihr macht das toll! Habt richtig Spaß jeden Tag.

Eure Kita ist super und natürlich wäre es schön, wenn wir nicht soviel Geld dafür zahlen müssten, bloß weil Mama sich in den Kopf gesetzt hat, dass sie nach erfolgreichem Studium, interessanter Stelle und Weiterqualifikation während der ersten Schwangerschaft wirklich weiter arbeiten will. Weil sie nämlich findet, dass es euch gut tut, wenn sie im Gleichgewicht ist und ihre Potentiale in allen Bereichen verwirklicht. Merkt ihr ja auch, oder? Schade nur, dass sie manchmal so verärgert ist, weil es nicht weiter geht.
Klar ist es schade, dass Mütter in Teilzeit in qualifizierter Beschäftigung schnell auf dem Abstellgleis landen, aber das ist nun mal das Risiko in einer Gesellschaft, die Kinder braucht, aber keine arbeitenden Mütter.

Aber Papa, sagt ihr, Du arbeitest doch auch in Teilzeit. Stimmt, findet ihr gut, oder? Ich auch. Jedenfalls meistens. Manchmal zerreißt es mich auch fast, denn ich gebe zwei Dingen die gleiche Priorität, euch & Mama und meiner Arbeit. Wenn dann Kunden sagen, dass ich mal schnell kommen soll, nach München, oder Frankfurt oder so, dann bin ich den ganzen Tag weg. Das ist dann manchmal auch ein Tag, an dem wir eigentlich zusammen zum Sport gehen, oder ins Kindertheater oder ich zu eurer Kita will, weil da Elternabend ist. Blöd, dass das meinen Kunden egal ist. Die bei meiner Arbeit finden das dann auch schwierig, darum muss ich immer versuchen ganz toll zu arbeiten, damit ich trotz der Teilzeit ein geschätzter Mitarbeiter bin.

Wissensgesellschaft? Nein, wir sind noch nicht in der Wissensgesellschaft Kinder. Dass wollen die von der Werbung euch nur weis machen. Denn erstens werde ich nach Anwesenheit beurteilt und bezahlt und zweitens hätte eure Kita dann ja viel mehr Geld, um tolle Wissensachen mit euch zu machen. Logisch, oder?

Aber bald ist ja Schule für euch. Dann könnt ihr ganz viel lernen. Jedenfalls, wenn wir es schaffen, euch in einer von diesen tollen Schulen unterzubringen, für die man dann zwar selber Zeit und Geld einbringen muss, die euch aber richtig Spaß machen werden.
Für Mama und mich ist das nicht so schlimm. Weil wir einigermaßen gut verdienen und weil wir dann immer noch weniger bezahlen, als jetzt für die Kita. aber wisst ihr für wenn das doof wird? Für Jean Vivian zum Beispiel, für die eure Kita ein Segen ist, weil ihre Eltern nicht viel Geld haben und das was sie haben gerne mal für Schnaps und Kippen ausgeben.

Wo war ich. Ach ja, ihr seid Deutschland, Jungs.

Deutschland ist ein kinderfreundliches Land. Ganz echt. Lasst euch nicht verwirren von dem Nachbarn, der auf die Ruhezeiten in unserem riesengroßen Innenhof pocht. Der kapiert nur nicht, dass es im Winter früher dunkel wird und wir darum zur Mittagszeit nach draußen gehen, damit ihr ein paar Sonnenstrahlen abbekommt und nicht so Winterdepressiv werdet wie er. Der hatte vielleicht nicht so eine tolle Kita wie ihr, wo man so was lernt.

Ihr seid Deutschland, meine Söhne.

Wenn Mama und ich uns ein bisschen weniger anstrengen würden, dann würdet ihr auch bald konsumfreudige, markenbewusste, zielstrebige Karrieristen. Dann würden wir uns die ganze Vorleserei, die selbst ausgedachten Geschichten, die Ausflüge und diese ewige Zeit zu viert sparen können. Dann würden wir an den Fernseher übergeben und an die Typen, die die Du bist Deutschland Kampagne machen.

Aber wir sehen das nicht ein und versuchen statt einer Kampagne etwas anderes. Eine Revolution. Weil wir jedem davon erzählen, wie wir das machen mit der Arbeit und der Familie. Weil immer mehr Leute eurem Papa und eurer Mama zuhören und sagen: Finde ich toll, dass will ich auch so machen. Oder so ähnlich, oder ganz anders. Aber eben nicht so wie sich diese Gesellschaft das vorstellt.

Das steigt eurem Papa dann manchmal zu Kopf, aber keine Sorge. Der nächste Kundentermin, die nächste Diskussion mit Mama darüber, wer denn dann auf euch aufpassen soll und die nächste Nachtschicht, damit ich meine Arbeit schaffe, die rücken mir den Kopf schon wieder zurecht.
Aber wisst ihr was Jungs. Das ist in Ordnung. Ich mag das so. Ist mir ganz gleich, ob ihr Deutschland seid, oder Italien, oder Brasilien. Hauptsache wir können auch weiter unter der Woche Fußball miteinander spielen, auf Bäume klettern und zusammen leckeres Abendessen für Mama kochen.

Weil: Ihr seid meine Söhne und ich liebe Euch!

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