Küchenfensterblick
Dienstag, 18. Dezember 2007
Ihr seid also Deutschland, meine Söhne
Der neue Spot der "Du bist Deutschland" Kampagne ist da. Vor zwei Tagen habe ich ihn das erstemal im Fernsehen gesehn und grade hat mich der Haltungsturner via Twitter daran erinnert.

Ihr seid also Deutschland meine beiden Söhne.

Dieses Land, euer Land, braucht euch. Darum wird so vieles dafür getan, dass mehr von eurer Sorte geboren werden. Wir haben nämlich ein Geburtenproblem müsst ihr wissen. Wobei, euch kann es egal sein, ihr seid ja jetzt da und damit seid ihr Teil der Lösung, nicht des Problems. Das Problem haben eure Eltern, aber nicht ihr seid das Problem. Ihr macht das toll! Habt richtig Spaß jeden Tag.

Eure Kita ist super und natürlich wäre es schön, wenn wir nicht soviel Geld dafür zahlen müssten, bloß weil Mama sich in den Kopf gesetzt hat, dass sie nach erfolgreichem Studium, interessanter Stelle und Weiterqualifikation während der ersten Schwangerschaft wirklich weiter arbeiten will. Weil sie nämlich findet, dass es euch gut tut, wenn sie im Gleichgewicht ist und ihre Potentiale in allen Bereichen verwirklicht. Merkt ihr ja auch, oder? Schade nur, dass sie manchmal so verärgert ist, weil es nicht weiter geht.
Klar ist es schade, dass Mütter in Teilzeit in qualifizierter Beschäftigung schnell auf dem Abstellgleis landen, aber das ist nun mal das Risiko in einer Gesellschaft, die Kinder braucht, aber keine arbeitenden Mütter.

Aber Papa, sagt ihr, Du arbeitest doch auch in Teilzeit. Stimmt, findet ihr gut, oder? Ich auch. Jedenfalls meistens. Manchmal zerreißt es mich auch fast, denn ich gebe zwei Dingen die gleiche Priorität, euch & Mama und meiner Arbeit. Wenn dann Kunden sagen, dass ich mal schnell kommen soll, nach München, oder Frankfurt oder so, dann bin ich den ganzen Tag weg. Das ist dann manchmal auch ein Tag, an dem wir eigentlich zusammen zum Sport gehen, oder ins Kindertheater oder ich zu eurer Kita will, weil da Elternabend ist. Blöd, dass das meinen Kunden egal ist. Die bei meiner Arbeit finden das dann auch schwierig, darum muss ich immer versuchen ganz toll zu arbeiten, damit ich trotz der Teilzeit ein geschätzter Mitarbeiter bin.

Wissensgesellschaft? Nein, wir sind noch nicht in der Wissensgesellschaft Kinder. Dass wollen die von der Werbung euch nur weis machen. Denn erstens werde ich nach Anwesenheit beurteilt und bezahlt und zweitens hätte eure Kita dann ja viel mehr Geld, um tolle Wissensachen mit euch zu machen. Logisch, oder?

Aber bald ist ja Schule für euch. Dann könnt ihr ganz viel lernen. Jedenfalls, wenn wir es schaffen, euch in einer von diesen tollen Schulen unterzubringen, für die man dann zwar selber Zeit und Geld einbringen muss, die euch aber richtig Spaß machen werden.
Für Mama und mich ist das nicht so schlimm. Weil wir einigermaßen gut verdienen und weil wir dann immer noch weniger bezahlen, als jetzt für die Kita. aber wisst ihr für wenn das doof wird? Für Jean Vivian zum Beispiel, für die eure Kita ein Segen ist, weil ihre Eltern nicht viel Geld haben und das was sie haben gerne mal für Schnaps und Kippen ausgeben.

Wo war ich. Ach ja, ihr seid Deutschland, Jungs.

Deutschland ist ein kinderfreundliches Land. Ganz echt. Lasst euch nicht verwirren von dem Nachbarn, der auf die Ruhezeiten in unserem riesengroßen Innenhof pocht. Der kapiert nur nicht, dass es im Winter früher dunkel wird und wir darum zur Mittagszeit nach draußen gehen, damit ihr ein paar Sonnenstrahlen abbekommt und nicht so Winterdepressiv werdet wie er. Der hatte vielleicht nicht so eine tolle Kita wie ihr, wo man so was lernt.

Ihr seid Deutschland, meine Söhne.

Wenn Mama und ich uns ein bisschen weniger anstrengen würden, dann würdet ihr auch bald konsumfreudige, markenbewusste, zielstrebige Karrieristen. Dann würden wir uns die ganze Vorleserei, die selbst ausgedachten Geschichten, die Ausflüge und diese ewige Zeit zu viert sparen können. Dann würden wir an den Fernseher übergeben und an die Typen, die die Du bist Deutschland Kampagne machen.

Aber wir sehen das nicht ein und versuchen statt einer Kampagne etwas anderes. Eine Revolution. Weil wir jedem davon erzählen, wie wir das machen mit der Arbeit und der Familie. Weil immer mehr Leute eurem Papa und eurer Mama zuhören und sagen: Finde ich toll, dass will ich auch so machen. Oder so ähnlich, oder ganz anders. Aber eben nicht so wie sich diese Gesellschaft das vorstellt.

Das steigt eurem Papa dann manchmal zu Kopf, aber keine Sorge. Der nächste Kundentermin, die nächste Diskussion mit Mama darüber, wer denn dann auf euch aufpassen soll und die nächste Nachtschicht, damit ich meine Arbeit schaffe, die rücken mir den Kopf schon wieder zurecht.
Aber wisst ihr was Jungs. Das ist in Ordnung. Ich mag das so. Ist mir ganz gleich, ob ihr Deutschland seid, oder Italien, oder Brasilien. Hauptsache wir können auch weiter unter der Woche Fußball miteinander spielen, auf Bäume klettern und zusammen leckeres Abendessen für Mama kochen.

Weil: Ihr seid meine Söhne und ich liebe Euch!