Küchenfensterblick
Donnerstag, 9. November 2006
Eine Art von Karriere
Es war schon schön, weißt Du. Aufregend irgendwie. Ich meine, er ist ja nicht irgendwer. Also nicht nur, dass er mein Chef ist. Er steht ja auch in der Öffentlichkeit. Interviews und so. Da bin ich ja auch dran beteiligt. Also gibt es da auch eine Verbindung zwischen uns.
Aber in dem Moment, also an dem Abend, da war das egal. Da gab es nur uns zwei.
Dabei hatte es gar nicht so gut angefangen. Ich war ja zwei Wochen auf mich selbst gestellt, weil mein Vorgesetzter im Urlaub war. Plötzlich war ich dann mit all den Anfragen allein. Klar, eigentlich gab es noch die Agentur, aber die haben auch immer nur Fragen gehabt. Jedenfalls ging irgendwie alles schief. Blöde Interviews, irgendwo plauderte jemand Betriebsgeheimnisse aus und keiner wollte an unserer pressereise teilnehmen. Am Freitagabend dann stand er plötzlich bei mir im Büro. Es war schon nach Neun und die anderen waren kurz vorher schon gegangen und hatten mich allein gelassen. Als er dann so vor mir stand und anfing zu fragen und zu schimpfen, da brach ich in Tränen aus.
Erst wurde er noch lauter aber dann stand er plötzlich direkt vor mir. Ich war total aufgelöst, aber in dem Moment schlug die Stimmung um. Plötzlich spürte ich seine Hand in meinem Haar und er kam ganz nah an mich heran und ich legte meine Strin auf seine Hüfte. Ich saß noch auf meinem Stuhl. Ich hatte ja garnicht die Kraft gehabt aufzustehen als er reinkam.
Jedenfalls spürte ich dann seine Kraft und seine Stärke. So etwas väterliches, tröstendes. Verstehst Du? Er hatte dann auch aufgehört zu schimpfen und strich stattdessen mein Haar zurück. Es war wie eine stille Übereinkunft. Ich wußte, wie ich alles wieder gutmachen konnte und ich tat es. Eigentlich stehe ich garnicht so darauf, aber in diesem Moment, in dieser Umgebung, da schien es mir genau das richtige zu sein.
Schade finde ich schon, dass er auf meine SMS am Wochenende nicht geantwortet hat. Und als ich ihn dann anpingen wollte, da hat er plötzlich sein Messengerfenster geschlossen. Dabei war er kurz vorher noch online gewesen.
Ich meine, klar, er muss das auch erstmal verarbeiten. Er hat ja schließlich Familie und wie gesagt, er steht ja auch in der Öffentlichkeit.

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