Küchenfensterblick
Dienstag, 27. Juni 2006
Eine lange Reise
Schon als Kind hatte er sich vorgestellt, wie es wohl wäre. Einfach sitzen bleiben. Nicht aussteigen aus dem Zug, wenn er am eigentlichen Zielbahnhof ankommt. Weiterfahren an Orte der Namen so verheißungsvoll klingen. Sich von den Lautsprecheransagen verführen lassen und immer tiefer eindringen in dieses Schienensystem, das ganz Europa verbindet.
Mit 36 war er dann soweit. Unterwegs zu einem Termin in Berlin ließ er erst den Haupt- dann den Ostbahnhof an sich vorbeiziehen. Er klappte das Laptop, mit dem er sich eher unwillig seit Hamburg beschäfftigt hatte zu und ließ das Mobiltelefon auch weiterhin ausgeschaltet. Die weiten Strecken ohne Empfang hatten für ihn auf dieser Strecke immer schon einen Hauch von Anarchie gehabt. Eine vorgetäuschte Freiheit die mit dem Aufblinken der entgangenen Anrufe schon wenige Minuten nach der Ankunft in schöner Regelmäßigkeit vernichtet wurde.

Jetzt aber saß er da und ließ die Landschaft an sich vorüber ziehen. Ließ die Felder und die vereinzelten Waldabschnitte auf sich einwirken und spürte, wie die Aufregung einer tief empfundenen Erleichterung Platz machte. Er widerstand dem Drang, im Reiseplan nach Anschlusszügen zu suchen. Er dachte kurz an die Gesichter der Kollegen, an die Anrufe die nun zwischen Berlin und Hamburg hin- und hergehen würden und dann, dann schlief er ein.

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