Küchenfensterblick
Sonntag, 17. Februar 2008
Das Wichtigste ist ...
Das Wichtigste ist, dass wir das Projekt noch diesen Monat starten, sagt mein Chef.

Das Wichtigste ist, dass wir diese Woche den Urlaub festmachen, nächste Woche die Küche renoviert wird und wir gleich noch den Einkaufszettel besprechen, sagt meine Frau.

Das Wichtigste ist, dass man nicht tot ist, sagte mein Sohn vor einiger Zeit und ich neige dazu, ihm Recht zu geben.

Wenn man eine Familie hat und sich beruflich engagiert (ganz gleich mit wieviel Arbeitszeit), dann kommt man um dieses Gefühl der Zerissenheit nicht herum. Fremdbestimmt scheint man durch die Zeit zu taumeln. Immer eine ToDo-Liste in der Hand, im Kopf, auf dem Schreibtisch oder virtuell hinterlegt, die einen antreibt und nach Aufmerksamkeit und abarbeiten schreit.

Ich flüchte mich dann in den wenigen Minuten eigener Zeit entweder in Romane oder zur Musik. Gestern habe ich das erste Mal seit langem einen freien Abend, nein, eine freie Nacht gehabt. Von 23 bis 2 Uhr habe ich sie entweder in einem speckigen Sessel am Rand der Tanzfläche des Grünen Jägers verbracht, oder auf selbiger. Ich gehörte zu den wenigen Leuten ohne Begleitung und das ermöglichte es mir, meine Umgebung in aller Ruhe zu studieren. Junge Paare in der ersten Verliebtheit, verzeifelte Gruppen junger Männer, ähnlich verzweifelte Gruppen ebenso junger Frauen (beide Gruppen kamen sich nie näher obwohl sie bestimmt das gleiche suchten), ausgelassen Tanzende, angestrengt verkrampft Zappelnde, alle waren da und ich mittendrin oder am Rand.

Natürlich hätte ich mir gewünscht, das Jan Wigger noch mehr alte Sachen spielt, natürlich hätte ein Bier weniger mir gut getan heute Morgen. Trozdem ging es mir gestern mit dem ausgehen ähnlich, wie es mir seit Jahren mit dem Kino geht: Ich gehe auch gerne mal alleine, mit mir.

Das Wichtigste ist nämlich, dass man sich selbst leiden mag.