Küchenfensterblick
Dienstag, 16. Januar 2007
Gruselbücher
Übermorgen treffe ich mit zwei lieben Freunden, um eine alte Tradition wiederzubeleben. Was wir vor ein paar Jahren als literarisches Terzett begannen und was nach ein paar Treffen vorbei war, soll nun wieder aufleben.
Schon damals hatten wir Themenabende. Nacht, Reise, Lyrik…
Jeder brachte zwei, drei Bücher und Texte mit, wir erzählten davon und von uns und tranken nebenbei ein paar Gläser.
Jetzt wollen wir es nochmal wissen und die Dame der Runde hat sich Gruselliteratur gewünscht.
Meine Auswahl im Moment:
„Die Berge des Wahnsinns“ von H.P. Lovecraft – weil nach E.A. Poe noch jemand kam, der nicht alle Latten am Zaun eine sehr verschroben spezielle Sicht der Dinge hatte.
„Jonathan Strange & Mr. Norell“ von Susanna Clarke – weil es diese subtile Morbidität eine vergangenen Epoche beschwört und sich seltsam zwischen den Welten bewegt.
„The Hawkline Monster“ – von Richard Brautigan – weil ich immer wieder versuche ihn unterzubringen und es schließlich ein Gothik Western ist.

Und dann noch dieses kleine Buch, dass die Welt verändern will, mich zu einem besseren Menschen machen möchte und sich erdreistet, mich sprachlich wie inhaltlich dabei so platt von der Seite anzumachen, dass es mich heute noch gruselt …

Für weitere Vorschläge und Gruseltipps bin ich dankbar

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Dienstag, 9. Januar 2007
Wo ich gerade bei Büchern bin
Weihnachten war mal wieder ein Büchersegen für mich. Gestern hat eine Kollegin dann auch festgestellt, dass ich Bücher anscheinend inhaliere. Dazu kann ich nur feststellen. Stimmt, ich lese Bücher auf Lunge.

Neben der Tochter des Schmieds zog ich mir in den vergangenen zwei Wochen noch "In der Kreide" von Philippe Djian und den zweiten Teil der Mma Ramotswe Reihe von AlexanderMcCall Smith rein.
Zwischendurch dann immer wieder mal ein Kapitel von "Wir nennen es Arbeit". Und auch wenn ich allein schon durch die Kindern einen anderen Weg als den der digitalen Boheme gewählt habe, irgendwie fühle ich mich diesem Konzept doch verwandt und verbunden und es macht Spaß Holm Friebe und Sascha Lobo durch diesen Entwurf zu folgen.
Die Option, dass was ich beruflich tue auf eigene Rechnung zu machen, ist bei mir im Grunde seit einiger Zeit da und machbar. Aber ich habe mir eben einen Rahmen gesetzt, der nicht flexibel genug ist, um die Grenze zwischen beruflichem und privatem Leben noch mehr aufzuweichen. Stattdessen: Festanstellung in Teilzeit zu meinen Bedingungen. Klappt auch und immer besser. Und im Grunde ist ja auch das was die beiden fordern: Revolution im kleinen. Politik im Privaten. Ich konnte ja auch den Vorwurf an Blumfeld, sie wären seit Jenseits von Jedem so unpolitisch nicht nachvollziehen. Eben weil sich das politische Handeln ins den privaten Bereich verlagert und da thematisiert wird.
Am schönsten aber in diesem Zusammenhang: Wir nennen es Arbeit hat bei mir die Erinnerung an ein Gedicht von R.D. Brinkmann geweckt.

"Ihr nennt es Sprache, ein Spiegel an der Wand
(...)
Die Sprache der Steine und wir haben keine"

Da waren sie dann wieder, diese Faushiebe aus Worten von denen ich mich so gerne umhauen lasse.

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Freitag, 5. Januar 2007
Die Tochter des Schmieds
Schon sehr lange wollte ich den Roman "Die Tochter des Schmieds" von Selim Özdogan lesen.
Zum einen weil ich ihn persönlich kenne und beim lesen seiner Romane und Geschichten das Gefühl habe, ihm nah zu sein. Zum anderen weil es wirklich ein paar sehr gute Kritiken gab.
Ich habe seine ersten Bücher geliebt. Sie passten zu meinen eigenen Befindlichkeiten und Lebenssituationen. Noch vor weningen Wochen habe ich "Es ist so einsam im Sattel seit das Pferd tot ist" einer 22jährigen empfohlen.
"Ein Spiel das die Götter sich leisten" aber hat mir nicht so gut gefallen. Ich fand es zu konstruiert, ein wenig prahlerisch fast wenn es um das Thema Religionen ging und irgendwie passte es einfach nicht zu mir. Vielleicht habe ich deshalb so lange gezögert.

"Die Tochter des Schmieds" passt auch nicht zu mir. Jedenfalls nicht wenn es darum geht, Paralellen zu meinem Leben zu ziehen. Aber es ist wunderschön. Schon nach ein paar Seiten habe ich Angst um die Protagonisten bekommen. Es sind klare, einfache aber auch warmherzige Sätze die mich mitten in die Geschichte hineinziehen. In eine vergangene und fremde Welt, die ich trotzdem riechen und schmecken kann. In Rituale und Lebensweisen, die fremd und anders und doch schön sind.

Ich glaube zu spüren, wieviel Liebe Selim in dieses Buch gesteckt hat. Wieviel Kraft und Energie. Wie er an seinem Stil gearbeitet hat.
Dafür meinen Respekt.

Nachtrag
So, habe das Buch am Sonntag zu Ende gelesen und von meiner Begeisterung (eigentlich mehr ein stilles Glück) ist nichts verflogen. Ich kann das Buch nur jedem ans Herz legen, der sich... Och nee, keine Einschränkung.
Ich kann das Buch jedem ans Herz legen.

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Freitag, 21. Juli 2006
Bandini, Betty und die anderen
Gestern war es endlich soweit. Die Kinder schliefen, die Frau außer Haus, ein paar Flaschen Bier eiskalt (auf das Chili habe ich verzichtet) und die kürzlich erhaltene DVD mit dem Director's Cut von Betty Blue im Player.
Auch nach all den Jahren kann ich mich für Buch und Film noch immer hemmungslos begeistern. Immer noch treten mir Tränen in die Augen wenn Zorg und Betty im Klaviergeschäft gemeinsam spielen, wärend im oberen Stockwerk Eddies tote Mutter liegt.
Der Director's Cut ist fast doppelt so lang wie die TV Version die ich kannte. Viele meiner Lieblingsstellen aus dem Buch sind plötzlich da. Kleinigkeiten nur aber von der gleichen Reinheit des Stils wie die Bücher Djians.
Vor kurzem habe ich dann realisiert woher einige Grundideen von Betty Blue stammen, als ich "Ich, Arturo Bandini" von John Fante las.
Ich freue mich schon darauf nach und nach alles von Fante zu lesen, denn auch bei ihm fasziniert mich der Stil. Die Sätze, die wie Kinnhaken treffen, wie Blitze zucken oder wie leise Melodien sich in dein Herz graben.
Immer noch sind da so viele zu entdecken, die wie besessen schrieben und schreiben. Hinzu kommt, dass ich ein Mehrfachleser bin. Immer und immer wieder schnappe ich mir "Rückgrat", "Stone Junction", "Dreaming of Babylon" und all die anderen gebunden Freunde aus dem Bücherregal und finde Trost und Zuspruch und das Verlangen zu schreiben. Aber mehr noch - zu lesen.
Könnte mich dafür vielleicht mal jemand bezahlen?

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Freitag, 2. Juni 2006
Matter is dust
Er legt das Buch beiseite und nimmt noch ein Schluck Rotwein. Irgendwann heute morgen hatte er den Roman in einer dunklen Ecke wiederentdeckt und angefangen die ersten Seiten zu lesen. Wie damals noch im Studium suchte er sich ohne von den Seiten aufzublicken einen Stuhl und verlor sich in den Wörtern. Die knappen Sätze, die kurzen Kapitel. Messerscharf, komisch und traurig zugleich. Stimmungsbilder, Momentaufnahmen als großes Ganzes. Mittendrin erinnerte er sich an eine Kurzgeschichte von Djian und holte den Wein. Jetzt, draussen ist die Sonne bereits untergegangen, streicht er noch einmal über den Buckdeckel von "Dreaming of Babylon".

Richard Brautigan hat eine Menge phantastischer Bücher geschrieben. Aber diese kleine Detektivgeschichte mit diesem depressiven, selbstmitleidigen Phillip Marlow-Verschnitt berührt mich immer wieder.

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Dienstag, 4. April 2006
Schlaflose Tage
Diesmal nichts selbst geschriebenes. Stattdessen ein paar Zeilen Begeisterung zu Jurek Becker.
Ich habe in den vergangenen Tagen "Schlaflose Tage" von ihm gelesen und habe es geradezu verschlungen. Ich muss dazu sagen, dass meine Erfahrungen mit der DDR rein theoretischer Natur sind. Als die Mauer fiel, war mir das ziemlich egal, da zu diesem Zeitpunkt gerade ein paar Schranken das andere Geschlecht betreffend bei mir fielen und das für mich persönlich deutlich spannender war.
Später dann habe ich "Amanda herzlos" gelesen und fand es ziemlich gut. Irgendwann ging mir auf, dass Jurek Becker für "Liebling Kreuzberg" verantwortlich war. "Jakob der Lügner" habe ich bis heute nicht gelesen, werde das beizeiten jedoch nachholen.
Interessanter fand ich jedoch schon seit längerem, die Dinge die man von der Privatperson Becker mitbekam. Sei es durch den wirklich tollen und herzzerreisenden Postkartenband an seinen Sohn Johnny oder aus diversen Interviews mit Manfred Krug oder seiner (Beckers) Witwe.
Bei "Schlaflose Tage" vermischte sich meine Grundsympathie gegenüber dem Autor mit einer hohen Identifikation mit den Problemen des Protagonisten. Ein Lehrer, der sein Leben von Grund auf ändern will. (Nicht das ich Lehrer wäre ...)
Aus einer nicht näher definierten oder erklärten Unzufriedenheit heraus fängt er damit an. Eine Sinnsuche beginnt, die sehr konsequent durchgezogen wird, dabei jedoch immer etwas naives behält. Auch wenn das Buch politisch ist und sich auf das System DDR bezieht, konnte ich sehr vieles aus der heutigen gesellschaftlichen Realität darin wiederfinden. Erzählt in einer einfachen aber nie schlichten Sprache. Voller Wärme und Witz, scharfsinnig aber ohne Bitterkeit.
Ich werde mir Zeit lassen bevor ich das nächste Buch von Jurek Becker anfange, denn es gibt nicht viele Alternativen in der deutschen Literaturlandschaft der vergangenen paar Jahrzehnte. So sehr ich Fauser, Brinkmann und andere schätze, die Wärme und Menschlichkeit bei gleichzeitiger Kritik am Bestehenden fehlt mir bei ihnen.

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