Küchenfensterblick
Dienstag, 2. Januar 2007
Was den Tag zusammenhält
Morgens ging er aus dem Haus wie all die anderen. Setzte sich in die U-Bahn. Fuhr rein in die Innenstadt und stieg dann irgendwo aus. Es wechselte. Schön fand er es am Baumwall, denn hier konnte er so einfach den Eindruck erwecken, dazu zu gehören. Meist ging er einen Kaffee trinken und setzte sich dann irgendwo mit seinem Block hin und begann zu schreiben. Es waren Zeilen voller Sehnsucht, die von Träumen erzählten. Von Vorfällen aus längst vergangenen Zeiten. Von Frauen, von Abenteuern.
Wenn sich der erste Strom Angestellter zur Mittagszeit in die umliegenden Bars ergoß, mischte er sich darunter. Belauschte ihre Gespräche. Sog ihre Geschichten auf und machte sich so seine Gedanken. Ein paar Mal war es vorgekommen, dass er sich eingemischt hatte. Plötzlich saß er dann bei ihnen und nahm teil. Mit der Zeit bemühte er sich, solche Ausbrüche zu vermeiden.
Nach der Mittagspause dann schlenderte er zum Fluss und bestellte sein erstes Bier in der kleinen Kneipe vor der Brücke. Wenn er dann gegen acht auf Pegel war, zog er die Zettel aus der Tasche und ging damit hinaus.
Jeden Abend stand er auf der Mitte der Brücke.
Eine Hand am Geländer, mit der anderen die Zettel im Griff blickte er hinunter in den Abgrund und fragte sich, welche Hand er öffnen sollte.