Küchenfensterblick
Montag, 1. Mai 2006
Postkarte
Der Tipp war mit einer Postkarte gekommen.
Zwei Stunden später hatte ich mir das Buch gekauft und saß in der Strassenbahn auf dem Weg zu der Frau mit der ich zusammen war. Ich begann zu lesen und verpasste eine halbe Stunde später meine Haltestelle.
Ich hatte mich nicht angekündigt. Statt sich zu freuen war sie schroff und unfreundlich. Also ging ich wieder und nahm die Bahn zurück.
Das Buch auf dem Schoß las ich weiter. Las auf dem Weg von der Haltestelle - diesesmal hatte ich aufgepasst - nach Hause. Ich las, bis ich den Roman am frühen Abend durch hatte.
Auf der Postkarte stand: "Vielleicht ist das meine letzte Postkarte an Dich. Bitte kaufe dir dieses Buch. Pass auf dich auf."
Ich verließ meine Freundin, ordnete mein Leben und fuhr zu der Postkartenschreiberin in die kleine Stadt in Bayern.

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Mittwoch, 26. April 2006
Stattdessen
Statt zur Toilette war er aus dem Gebäude gegangen. Die leichte Brise die ihm ins Gesicht wehte trug bereits den Geruch des Sommers in sich.
Es konnte nicht mehr lange dauern und sie würden ihn vermissen. Er schaltete sein Mobiltelefon aus und warf den Blackberry in den Fluss.
Er war direkt zu der kleinen Stelle am Ufer gegangen. Unbewusst erst, dann mit schnellen Schritten. Hier hatten sie sich zum ersten Mal geküsst, damals. Hatten Pläne geschmiedet - von Kindern gesprochen.
Jetzt sollte er Kindern Dinge verkaufen, um ihre tote Zeit sinnvoll zu nutzen. Im stickigen Besprechungsraum im 11. Stock war ihm plötzlich schlecht geworden.
Er blickte auf den Fluss und begann über sein neues Leben nachzudenken.

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Dienstag, 25. April 2006
Raus
Die Raststätte kam gerade noch rechtzeitig. Seit sechs Stunden war er jtzt unterwegs. Noch eine Stunde und er würde Deutschland verlassen, dan nochmal vier Stunden und er würde am Meer sein.
Zwei Mal schon hatte die Müdigkeit ihm fast das Steuer aus der Hand genommen. Schaudernd genosse er jedes Mal das Adrinalin, das ihn für ein paar minuten in zitternde Klarheit katapultierte.
Er zog auf die rechte Spur, nahm den Fuß vom Gas und steuerte den Parkplatz hinter der Tankstelle an.Als die kalte Luft der Nacht durch die geöffnete Tür zog, spürte er das gesamte Ausmaß seiner Müdigkeit. Seine Zähne klapperten, seine Beine schmerzten.
Er ging auf das Licht der Raststätte zu.

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Montag, 10. April 2006
Urlaubsreif
Noch vier Tage und es geht auf nach Amrum. Endlich Urlaub und ein paar Tage Ruhe und Erholung. Leider hat es in den letzten Tagen kaum für längere Geschichten gereicht - auch, wenn es ja eigentlich mein Plan war nur Momentaufnahmen hier festzuhalten. Derzeit reicht es selbst dafür kaum. Umsomehr freue ich mich auf eine Woche Inselleben. Der Wind bringt neue Geschichten mit. Ich versuche ein paar zu fangen. Mehr dann wieder ab dem 23. April.

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Samstag, 8. April 2006
Lange genug
Ihr Gesicht hat jeden Ausdruck verloren.
"Nein", haucht sie.
Jetzt wartet sie auf diesen Moment, in dem die Leere über ihr zusammenschlägt wie eine Welle. Sie mitreißt in einer Woge aus Trauer und Schmerz.
Auf die Tränen und die Wut. Darauf, dass sich ihr Körper fremd anfühlt. Dass sie sich dagegen wehrt, was ihr da angetan wird. Sie erwartet das Zittern und die Hitze.
Und als sie lange genug gewartet hat, sieht sie ihn an und sagt: "Gut, dann geh!"

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Nowhere bei mir
Rauschen in den Ohren, damit fängt es an. Kribbeln auf der Haut im Gesicht. Nein, nicht auf, unter der der Haut. Als würde das Rauschen, das jetzt ein Summen ist, die Synapsen vibrieren lassen. Dann der Schleier, der sich über die Augen legt. Ganz sanft zieht sich sein Blickfeld zusammen. Das erstaunlichste ist: je bewußter ihm sein Körper wird, desto weiter scheint er sich von ihm zu entfernen. Und wärend er noch grübelt, ob bei sich selbst sein ein Ausnahmezustand ist, versagen ihm die Beine. Dankbar sinkt er zu Boden und umarmt die Müdigkeit.

Später, als die Kopfschmerzen nachlassen bekämpft er das Zittern mit Schokolade.

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