Donnerstag, 28. September 2006
Meine Provinz
zeitnehmer, 00:08h
Wir waren zu viert. Keiner von uns hatte eine Ahnung davon, was hinter den Grenzen dieses Dorfes auf uns wartete. Welche Welten sich auftun würden, wenn wir die Grundschule mit ihren Klassenverbänden, die nach den umliegenden Dörfern aufgeteilt waren, verlassen würden. Wir waren vier und ich war der jüngste. Der Kleinste war ich auch und doch zählte mein Wort soviel wie das der anderen. Eine Bande waren wir schon seit dem letzten Jahr im Kindergarten und wie das in ländlichen Gebieten im fränkischen so üblich ist, basierte unsere Gruppe auf dem fragilen Gleichgewicht zwischen kindlicher Gewalt und den zur Verfügung stehenden Spielzeugen.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer von uns als erster von der Sache mit den Kastanien erfahren hatte. Der Förster der Region bot für jeden Zentner zehn Mark. Für die Fütterung der Rehe und all der anderen Tiere in den umliegenden Wäldern sollte die Provinzjugend gegen Bares ihren Anteil leisten. Zehn Mark pro Zentner. Klang gut. Davon ließen sich Yps-Hefte, Brause und ein paar Flaschen dieser komischen Säfte, die es in Plastikflaschen beim Metzger gab, kaufen. Zu viert waren wir Freitags nach der Schule losgezogen. Der Schlosspark war unser Jagdrevier. Nach ein paar Stunden hatten wir drei Säcke mit Kastanien gefüllt. Am Samstag kamen wir auf weitere vier . Bernd sollte sie im Schuppen seiner Eltern aufbewahren und dann wollten wir zum Förster sobald ich am Sonntag aus der Kirche zurück wäre.
Als Katholiken in dieser protestantischen Enklave hatten meine Eltern beschlossen, zumindest bis zu meiner Firmung, das sonntägliche Programm durchzuziehen. Später sollte ich dann selbst entscheiden, ob ich diesem Verein auch weiterhin angehören wollte.
Schon immer hatte ich mich in Kirchen unwohl gefühlt. An jenem Tag war das Bedürfnis der beklemmenden Weite des Kirchenschiffs zu entkommen besonders groß. Ich brannte darauf, die Früchte unserer Arbeit einzufahren. Immer wieder hatten die anderen mich durch die engen Lücken im Gebüsch des Parks gescheucht, um zwischen feuchtem Laub und modrigen Ästen nach Kastanien zu suchen. Ewig hatte ich am Vorabend in der Badewanne gebraucht, um die Spuren, die Gerüche dieser Expeditionen abzuwaschen. Mein Kumpel Thomas hatte sich während einer dieser Kriechtouren das Hemd beschmiert und in Erwartung einer Tracht Prügel war er mit hängendem Kopf nach Hause getrottet.
Ich spürte den Geschmack der Brause förmlich auf der Zunge als ich mir beim Pfarrer die Hostie abholte. Endlich, die Erlösung. Von der Kirche bis zu Bernds Schuppen waren es knapp zehn Minuten mit dem Fahrrad. Ich schaffte es in acht und machte mich auf die Suche nach den anderen. Entdecken konnte ich nur Thomas, der heulend neben seinem Fahrrad saß. Wo gestern noch die Säcke lagen hatten Bernd und sein Bruder ein paar leere Brausepäckchen liegen lassen.
Seit diesen Tagen betrachte ich Freundschaften unter Männern mit einer Spur mehr Zweifel und in Kirchen überkommt mich jedes Mal das Gefühl, dass sich da draußen irgendjemand über mich lustig macht während er in seiner Zeitschrift blättert und einen tiefen Schluck aus seiner Flasche nimmt.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer von uns als erster von der Sache mit den Kastanien erfahren hatte. Der Förster der Region bot für jeden Zentner zehn Mark. Für die Fütterung der Rehe und all der anderen Tiere in den umliegenden Wäldern sollte die Provinzjugend gegen Bares ihren Anteil leisten. Zehn Mark pro Zentner. Klang gut. Davon ließen sich Yps-Hefte, Brause und ein paar Flaschen dieser komischen Säfte, die es in Plastikflaschen beim Metzger gab, kaufen. Zu viert waren wir Freitags nach der Schule losgezogen. Der Schlosspark war unser Jagdrevier. Nach ein paar Stunden hatten wir drei Säcke mit Kastanien gefüllt. Am Samstag kamen wir auf weitere vier . Bernd sollte sie im Schuppen seiner Eltern aufbewahren und dann wollten wir zum Förster sobald ich am Sonntag aus der Kirche zurück wäre.
Als Katholiken in dieser protestantischen Enklave hatten meine Eltern beschlossen, zumindest bis zu meiner Firmung, das sonntägliche Programm durchzuziehen. Später sollte ich dann selbst entscheiden, ob ich diesem Verein auch weiterhin angehören wollte.
Schon immer hatte ich mich in Kirchen unwohl gefühlt. An jenem Tag war das Bedürfnis der beklemmenden Weite des Kirchenschiffs zu entkommen besonders groß. Ich brannte darauf, die Früchte unserer Arbeit einzufahren. Immer wieder hatten die anderen mich durch die engen Lücken im Gebüsch des Parks gescheucht, um zwischen feuchtem Laub und modrigen Ästen nach Kastanien zu suchen. Ewig hatte ich am Vorabend in der Badewanne gebraucht, um die Spuren, die Gerüche dieser Expeditionen abzuwaschen. Mein Kumpel Thomas hatte sich während einer dieser Kriechtouren das Hemd beschmiert und in Erwartung einer Tracht Prügel war er mit hängendem Kopf nach Hause getrottet.
Ich spürte den Geschmack der Brause förmlich auf der Zunge als ich mir beim Pfarrer die Hostie abholte. Endlich, die Erlösung. Von der Kirche bis zu Bernds Schuppen waren es knapp zehn Minuten mit dem Fahrrad. Ich schaffte es in acht und machte mich auf die Suche nach den anderen. Entdecken konnte ich nur Thomas, der heulend neben seinem Fahrrad saß. Wo gestern noch die Säcke lagen hatten Bernd und sein Bruder ein paar leere Brausepäckchen liegen lassen.
Seit diesen Tagen betrachte ich Freundschaften unter Männern mit einer Spur mehr Zweifel und in Kirchen überkommt mich jedes Mal das Gefühl, dass sich da draußen irgendjemand über mich lustig macht während er in seiner Zeitschrift blättert und einen tiefen Schluck aus seiner Flasche nimmt.