Küchenfensterblick
Freitag, 7. März 2008
Hortmangel
Unser Sohn ist ein sogenanntes Kann-Kind. Er kann schon ziemlich viel und er kann sogar schon dieses Jahr zur Schule gehen, wenn er möchte. Wir finden auch, dass er das kann, die Leiterin der Grundschule findet das auch. Die Schule ist grade mal 150 Meter und einen Zebrastreifen von unserer Wohnung entfernt und auf dem Gelände gibt es gleich zwei Horte in der vormittags und nachmittags Kinder betreut und gefördert werden. Soweit so gut. Was nun unser Sohn offenbar nicht kann ist einen dieser beiden horte in der Zeit von 13-14:30 uhr zu besuchen. Zum einen sind die Plätze zu knapp und er steht auf einer Warteliste so lang wie mein unterarm. Zum anderen müsste er selbst wenn er einen Platz bekäme 3 statt 1,5 Stunden im Hort bleiben. Über Vor- und nachteile letzterens bin ich ja gerne bereit zu diskutieren. Was mich aber unglaublich ärgert, ist dass wir unsere Entscheidung ihn einzuschulen unter Umständen revidieren müssen. Ganz einfach weil wir von unserem Sohn nicht verlangen wollen, dass er nach der Schule für die Zeit bis meine Frau oder ich von der Arbeit kommen in eine 500 Meter entfernte Ausweich-Kita geht. Warum macht es diese Stadt und dieses Land Eltern und Kindern so schwer? Warum laufen Schule und Horte/Kitas so vollkommen getrennt voneinander? Wenn ich so die Arbeit für meine Kunden (und ich verstehe mich als mündigen Kunden dieses Staates in manchen Bereichen) organisieren würde, wären die schon lange woanders...

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Mittwoch, 9. Januar 2008
Haltungsfragen
Meine Frau findet Heikko Deutschmann toll. Ich jetzt auch. Nicht nur, weil er Helge Timmerbergs Reise-ABC so hervorragen spricht, sondern weil ich seine Haltung mag und für mich genauso zu leben versuche. In einem Interview in der Brigitte findet mit ihm ungefähr folgender Wortwechsel statt:
Deutschmann: Wenn ich eine Rolle nicht gut finde, dann spiel ich das halt nicht.
Brigitte: Das muss man sich aber auch leisten können.
D: Nein, das ist eine Frage der Haltung. Wenn es nicht mit Risiko verbunden ist, ist es keine Haltung sondern einfach.

Schlussfolgerung war in etwa: Wer jahrelang geduckt läuft, kann doch nicht ernsthaft glauben, dass er plötzlich wieder aufrecht stehen kann, wenn er irgendwann genug Geld zur Seite gelegt hat.

Es ist schwer aufrecht zu gehen.
Aber wie ein Freund mal zu mir sagte: Die Weide biegt sich auch nur solange, bis sie bricht.

In diesem Sinne einen guten Jahresstart!

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Dienstag, 18. Dezember 2007
Ihr seid also Deutschland, meine Söhne
Der neue Spot der "Du bist Deutschland" Kampagne ist da. Vor zwei Tagen habe ich ihn das erstemal im Fernsehen gesehn und grade hat mich der Haltungsturner via Twitter daran erinnert.

Ihr seid also Deutschland meine beiden Söhne.

Dieses Land, euer Land, braucht euch. Darum wird so vieles dafür getan, dass mehr von eurer Sorte geboren werden. Wir haben nämlich ein Geburtenproblem müsst ihr wissen. Wobei, euch kann es egal sein, ihr seid ja jetzt da und damit seid ihr Teil der Lösung, nicht des Problems. Das Problem haben eure Eltern, aber nicht ihr seid das Problem. Ihr macht das toll! Habt richtig Spaß jeden Tag.

Eure Kita ist super und natürlich wäre es schön, wenn wir nicht soviel Geld dafür zahlen müssten, bloß weil Mama sich in den Kopf gesetzt hat, dass sie nach erfolgreichem Studium, interessanter Stelle und Weiterqualifikation während der ersten Schwangerschaft wirklich weiter arbeiten will. Weil sie nämlich findet, dass es euch gut tut, wenn sie im Gleichgewicht ist und ihre Potentiale in allen Bereichen verwirklicht. Merkt ihr ja auch, oder? Schade nur, dass sie manchmal so verärgert ist, weil es nicht weiter geht.
Klar ist es schade, dass Mütter in Teilzeit in qualifizierter Beschäftigung schnell auf dem Abstellgleis landen, aber das ist nun mal das Risiko in einer Gesellschaft, die Kinder braucht, aber keine arbeitenden Mütter.

Aber Papa, sagt ihr, Du arbeitest doch auch in Teilzeit. Stimmt, findet ihr gut, oder? Ich auch. Jedenfalls meistens. Manchmal zerreißt es mich auch fast, denn ich gebe zwei Dingen die gleiche Priorität, euch & Mama und meiner Arbeit. Wenn dann Kunden sagen, dass ich mal schnell kommen soll, nach München, oder Frankfurt oder so, dann bin ich den ganzen Tag weg. Das ist dann manchmal auch ein Tag, an dem wir eigentlich zusammen zum Sport gehen, oder ins Kindertheater oder ich zu eurer Kita will, weil da Elternabend ist. Blöd, dass das meinen Kunden egal ist. Die bei meiner Arbeit finden das dann auch schwierig, darum muss ich immer versuchen ganz toll zu arbeiten, damit ich trotz der Teilzeit ein geschätzter Mitarbeiter bin.

Wissensgesellschaft? Nein, wir sind noch nicht in der Wissensgesellschaft Kinder. Dass wollen die von der Werbung euch nur weis machen. Denn erstens werde ich nach Anwesenheit beurteilt und bezahlt und zweitens hätte eure Kita dann ja viel mehr Geld, um tolle Wissensachen mit euch zu machen. Logisch, oder?

Aber bald ist ja Schule für euch. Dann könnt ihr ganz viel lernen. Jedenfalls, wenn wir es schaffen, euch in einer von diesen tollen Schulen unterzubringen, für die man dann zwar selber Zeit und Geld einbringen muss, die euch aber richtig Spaß machen werden.
Für Mama und mich ist das nicht so schlimm. Weil wir einigermaßen gut verdienen und weil wir dann immer noch weniger bezahlen, als jetzt für die Kita. aber wisst ihr für wenn das doof wird? Für Jean Vivian zum Beispiel, für die eure Kita ein Segen ist, weil ihre Eltern nicht viel Geld haben und das was sie haben gerne mal für Schnaps und Kippen ausgeben.

Wo war ich. Ach ja, ihr seid Deutschland, Jungs.

Deutschland ist ein kinderfreundliches Land. Ganz echt. Lasst euch nicht verwirren von dem Nachbarn, der auf die Ruhezeiten in unserem riesengroßen Innenhof pocht. Der kapiert nur nicht, dass es im Winter früher dunkel wird und wir darum zur Mittagszeit nach draußen gehen, damit ihr ein paar Sonnenstrahlen abbekommt und nicht so Winterdepressiv werdet wie er. Der hatte vielleicht nicht so eine tolle Kita wie ihr, wo man so was lernt.

Ihr seid Deutschland, meine Söhne.

Wenn Mama und ich uns ein bisschen weniger anstrengen würden, dann würdet ihr auch bald konsumfreudige, markenbewusste, zielstrebige Karrieristen. Dann würden wir uns die ganze Vorleserei, die selbst ausgedachten Geschichten, die Ausflüge und diese ewige Zeit zu viert sparen können. Dann würden wir an den Fernseher übergeben und an die Typen, die die Du bist Deutschland Kampagne machen.

Aber wir sehen das nicht ein und versuchen statt einer Kampagne etwas anderes. Eine Revolution. Weil wir jedem davon erzählen, wie wir das machen mit der Arbeit und der Familie. Weil immer mehr Leute eurem Papa und eurer Mama zuhören und sagen: Finde ich toll, dass will ich auch so machen. Oder so ähnlich, oder ganz anders. Aber eben nicht so wie sich diese Gesellschaft das vorstellt.

Das steigt eurem Papa dann manchmal zu Kopf, aber keine Sorge. Der nächste Kundentermin, die nächste Diskussion mit Mama darüber, wer denn dann auf euch aufpassen soll und die nächste Nachtschicht, damit ich meine Arbeit schaffe, die rücken mir den Kopf schon wieder zurecht.
Aber wisst ihr was Jungs. Das ist in Ordnung. Ich mag das so. Ist mir ganz gleich, ob ihr Deutschland seid, oder Italien, oder Brasilien. Hauptsache wir können auch weiter unter der Woche Fußball miteinander spielen, auf Bäume klettern und zusammen leckeres Abendessen für Mama kochen.

Weil: Ihr seid meine Söhne und ich liebe Euch!

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Montag, 19. November 2007
Zu Jung
Ich komme grade von einem tollen Vorstellungsabend einer tollen Grundschule in Hamburg Ottensen. Die anwesenden Eltern waren im Schnitt 10 Jahre juenger älter als ich und ich fand die wahnsinnig anstrengend. Die Lehrerinnen aber waren sehr nett und in meinem Alter. Die sind wichtiger, als die anderen Eltern, oder?

Nachtrag:
Bloggen im Bus ist keine so gute Idee, wenn man die Kernaussage des Eintrags verhaut. Jedenfalls fand ich die "Bugenhagenschule - Schule untern Kirchturm" wirklich sehr spannend. ein tolles Konzept mit Jahrgangsübergreifenden Klassen.
Da wäre ich gerne Schüler - und das nicht nur, weil ich die Leiterin so sympathisch fand.

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Montag, 24. September 2007
Arbeit, Familie und die Dinge dazwischen
Am Wochenende waren wir bei Freunden, die wir vorvielen Jahren am anderen Ende der Welt kennengelernt aben. In einem zweitklassigen Backpacker an der Ostküste Australiens saßen wir zu viert schweigend vor dem Fernseher. Es war schon sehr spät als plötzlich ein "german independant film" angekündigt wurde und wir uns die Augen rieben, als "Kleine Haie" began. Das andere Paar freute sich auch, kam aus Hamburg und wir reisten die kommenden paartausend Kilometer parallel. Ein paar Monate später waren sie zurück in Hamburg und wir grade angekommen.
Aber darum geht es hier nicht. Es geht einmal mehr um die Frage, wie man Arbeit und Familie unter einen Hut bringt. Wie man sich aufteilt und das alles klarkriegt.

Die beiden hatten lange versucht Kinder zu bekommen und als es endlich (mit ärztlicher Hilfe) klappte waren die beiden überglücklich. Dumm nur, dass sie nur wenige Tage vor Kenntnis der Schwangerschaft einen Aufhebungsvertrag unterschrieben hatte. New Economy halt. Sie war raus. Die erfolgreiche Karriere als Personalerin lag die kommenden 4,5 Jahre auf Eis. Jetzt ist sie froh nach dem zweiten Kind und einem Bewerbungsmarathon eine Stelle am anderen Ende der Stadt gefunden zu haben die paßt. 20 Stunden die Woche, anspruchsvolle Projekte, sympathische Kollegen. Natürlich viel schlechter bezahlt als ihre Jobs davor. Natürlich mit einer umständlichen Mischung aus Kita und Tagesmutter, die das meiste Geld wieder auffrisst. Aber egal. Es geht nicht ums Geld. Es geht um den Kampf den die beiden jetzt vor sich haben. Jetzt, wo sie es schön fände, wenn er sich im Job wieder etwas zurücknehmen könnte. Vielleicht ein, zwei Nachmittage die Woche für die Familie da sein könnte.
Er ist kein Manager, im Gegenteil. Berufsschullehrer, Linker, Öko. Aber es fällt ihm verdammt schwer, diese Diskussion zu führen. Die Rolle als Ehemann, Vater, Kollege, Freund neu zu definieren. Schon wieder. Man merkt auch, wie das mit zunehmendem Alter schwerer wird, Rollenverständnisse zu hinterfragen. Umzuwerfen und neu zu verhandeln. Die beiden sind fast zehn Jahre älter als wir und das scheint einen großen Unterschied zu machen. Die zwei müssen sich aufraffen und es belastet sie und zerrt an ihnen.

Noch kann ich mir so viele Modelle vorstellen irgendwo zwischen alles oder nichts. Läßt das irgendwann nach?
Wie oft kann man sich häuten, bevor man sich nicht mehr im Spiegel erkennt?

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Donnerstag, 26. April 2007
Ich nenne es Lebensmodell
Ich binde ja mein (besser unser, denn es geht nur zu zweit, dritt, viert) Lebensmodell jedem auf die Nase. Heute war mal wieder eine prima Gelegenheit, als ich bei einer sehr netten Veranstaltung mit einer Dame von einem größeren Keks- und Snackhersteller ins Plaudern kam. Startpunkt war ein Vortrag, den Holm Friebe bei eben dieser Veranstaltung heute hielt.
Das ich "Wir nennen es Arbeit" mit großem Vergnügen gelesen habe, schrub ich hier schon.
Jedenfalls kamen wir darauf, wie sich neue Arbeitsmodelle auf Marken und Märkte auswirken könnten und ich ging da deutlich weiter in dem was ich erwarte. Und das selbstbestimmtes Arbeiten und der Kampf um qualifizierte Teilzeitarbeiter heute noch weit weg scheinen und sich da in den kommenden Jahren einiges tun wird.
Jedenfalls hat es mir unglaublichen Spaß gemacht, als sie jammerte, das ihre Mitarbeiterin ja jetzt auch mit ihr über Teilzeitmodelle reden will weil sie schwanger ist, ihr mein/unser Modell zu verkaufen. Dass es die Zukunft ist. Dass dieses Land neue Männer braucht. Dass es Spaß macht. Dass es anstrengend ist. Dass Konzerne träge sind und sich noch umsehen werden. Dass die besten Mitarbeiter die sind, die schon mit der Digitalen Boheme liebäugeln. Und dass die weg sind wenn man ihnen keine Anreize bietet. Dass das nicht das Geld ist. Sondern Zeit. Die Zeit die man sich nehmen kann. Ohne zu betteln. Ohne Rechtfertigung. Weil man sie braucht: zum Einkaufen, zum Kinderturnen, für den Elternabend, zum bloggen, zum Ideen haben, ach Gott einfach so, weil man sie braucht …
Das Thema Familie fehlte mir in "Wir nennen es Arbeit". Seit heute weiß ich, dass Holm Friebe diesen Aspekt bald sehr direkt "bearbeiten" wird.
Wunderbar. Ich freue mich schon auf "Wir nennen es Familie". Ich bin dabei ...

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